Im Fokus: Apotheken in Portugal

Wir haben Marcos Marques –
Board of Addo Pharm (Major Group of Pharmacies)
und weitere portugiesische Apotheker
über die Herausforderungen im Jahr 2020 und
ihre Erwartungen im Jahr 2021 befragt.

 

Innovation floriert, wenn unterschiedliche Netzwerke zusammengeführt werden – denn man kann nicht alles allein tun. Für Addo Pharm war 2020 das Jahr der Stärkung unseres Netzwerkes mit unseren Partnern. Covid hat vielen vor Augen geführt, dass wir für eine Verbesserung unserer Geschäfte aufeinander angewiesen sind. Die großen Herausforderungen vor denen wir nun stehen, sind die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen einige Partner vorwärts gehen. Wir müssen schneller vorankommen, unsere Geschäftstätigkeit verbessern, die Daten nutzen und in neue Märkte expandieren. Im Jahr 2021 wollen wir unsere digitale Strategie erneuern, um die Bereitstellung von Daten zu verbessern, um Verbindungen sicherzustellen und um Risiken zu managen.

 

 

Bruno Olim – Apotheker in Madeira

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat nicht nur direkte und indirekte Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, sondern hatte auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft. Auf Madeira z. B. macht der Tourismus 26 % des Bruttoinlandsprodukts aus und sichert über 20.000 Arbeitsplätze. Apotheken, die sich mit einer Vielzahl neuer Produkte an die Anforderungen von Covid-19 ausgestattet haben, passen sich mit unterschiedlicher Dynamik weiter an die Pandemie-Realität an: Nachbarschafts-Apotheken und Apotheken in ländlichen Gebieten registrierten eine Zunahme der Besucherzahlen aufgrund der COVID-19 Lockdownmaßnahmen und der Schließung öffentlicher Dienstleistungen (Zugangsbeschränkung, vorzugsweise über das Internet).

Apotheken im städtischen Raum hingegen hatten wegen leerstehender Einkaufszentren geringere Besucherzahlen. Parallel dazu wurden neue Dienste wie Hauszustellung und E-Commerce eingeführt, die das Vertrauen in die Fähigkeit der Apotheken mit Widrigkeiten umzugehen, stärken und die perfekte Gelegenheit für einen technologischen Sprung in die Zukunft schaffen – wobei die Apothekenpflegedienste in der Nachbarschaft zu einem Eckpfeiler im Bereich der öffentlichen Gesundheit werden. Im Jahr 2021 werden wir schrittweise zur „Normalität“ zurückkehren. Apotheken werden neue Terrains erkunden, die Substituierung wird verstärkt, die Bedeutung der Gesundheitskompetenz wird gestärkt und die COVID-19-Impfung kann in Apotheken eingeführt werden. Dennoch haben wir einen langen Weg vor uns, denn die Arbeitslosigkeit wird steigen und große wirtschaftliche Herausforderungen stehen noch bevor.

 

 

Luís Liberal
Administrator of Farmactiva/ Farmácia Sá da Bandeira, Porto

Die ausgewogene geografische Verteilung ist wahrscheinlich der größte Vorteil des portugiesischen Apothekennetzes. Ebenso wichtig ist das Gesetz, das den Verkauf von Arzneimitteln im Internet regelt. Diese zwei Punkte sind – trotz des Anstiegs zwischen März und Mai 2020 – sehr große Hindernisse für die Entwicklung des E-Commerce.

Es ist jedoch absehbar, dass der Versandhandel mit der „Lieferung am selben Tag“ ein alternativer Vertriebskanal sein kann, sobald er die Erwartungen der Kunden, ihre Therapie so schnell wie möglich zu beginnen, erfüllen kann. Diese Art von Service stellt kleine Unternehmen wie Einzelhandelsapotheken aber vor große logistische Herausforderungen. Im Jahr 2020 ist der Absatz von Kosmetika und anderen Wohlfühlprodukten stärker gestiegen als erwartet und die Aussichten für 2021 sind optimistisch. Laut dem europäischen B2C-E-Commerce-Bericht belegen portugiesische E-Shopper jedoch den 2. Platz in Europa. Nicht nur lokale E-Einzelhändler sehen sich hartem globalem Wettbewerb gegenüber, auch lokale Distributoren befürchten, dass ihr Wachstum und ein wichtiger Teil des Marktes zu ihren ausländischen Pendants übergeht. Ihre Herausforderung besteht darin, die lokalen Apotheker umfassend zu unterstützen, damit sie wettbewerbsfähig werden können.

 

 

Ricardo Lopes Pereira
Winphar/Simphar Board Member (Big Softwarehouse)

Covid-19 hat in vielen Bereichen die Digitalisierung und den Trend zum Online-Shopping beschleunigt. Apotheken, die diesen Weg noch nicht eingeschlagen haben, fangen an, über den Einstieg in das Online-Geschäft nachzudenken. Entweder als einen Weg mit den Covid-Auswirkungen umzugehen, oder weil der Mitbewerb bereits aktiv wurde. 

E-Commerce ist sicher niemals das Allheilmittel für die niedergelassene Apotheke. Durch die geographische Unabhängigkeit des Onlinehandels benötigt man in diesem Geschäft vollkommen andere Kompetenzen als in der Vorort-Apotheke und es wird nur einige, wenige Gewinner in diesem Spiel geben. Trotzdem werden wir in der Zukunft viele neue Marktteilnehmer sehen, egal ob einzelner Apotheker, organisierte Apothekengruppen oder auch die steigende Präsenz der ganz großen wie z. B. Amazon. 

Viele vertreten die Ansicht, dass der wachsende Online-Handel mit Arzneimitteln den Vorort-Apotheker dazu zwingen wird, sich selbst neu zu erfinden und den Weg vom klassischen Produktverkauf hin zu einer höheren Service- und Dienstleistungspalette zu gehen. Die Covid-bedingte Veränderung im Konsumentenverhalten könnte allerdings auch dies in Frage stellen, denn einige der klassischen Apothekenservices könnten in Zukunft ebenfalls virtuell verfügbar sein. Für kleine E-Commerce Anbieter wird die Kombination von stationärer Apotheke und Online-Dienstleistung immer wichtiger werden.