Die Zukunft des Adipositas-Marktes:
Segmentierter und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Patient*innen entsprechend
Die Einführung hochwirksamer Pharmakotherapien zur Gewichtsabnahme kennzeichnet einen Wendepunkt für den Adipositas-Markt. Zum ersten Mal führten pharmakologische Interventionen zu einer bedeutsamen Gewichtsabnahme von 15 % oder mehr, was eine außerordentliche Verbrauchernachfrage auslöste.
Da das Produktangebot weiterhin hinter der steigenden Nachfrage zurückbleibt, sind grundlegende „Verkehrsregeln“, die das Verhalten der Märkte für verschreibungspflichtige Arzneimittel normalerweise bestimmen, außer Kraft gesetzt. So beobachten wir beispielsweise eine bisher nicht gekannte Bereitschaft der Patient*innen, selbst außerhalb der USA aus eigener Tasche zu zahlen. Novo Nordisk schätzt, dass derzeit 80 % der Verkäufe außerhalb der USA von den Patienten selbst finanziert werden.
Gleichzeitig schränken die Gesundheitssysteme die Kostenerstattung für Adipositas-Therapien stark ein. Es stellt sich die Frage, wie Adipositas als wachsendes Problem bekämpft und ein gleichberechtigter Zugang zur Therapie für die Patient*innen sichergestellt werden kann, die diese am dringendsten benötigen.
In Großbritannien beispielsweise verlangen die NICE-Richtlinien eine gewichtsbedingte Komorbidität und einen BMI ≥35,0 kg/m2, damit die Therapiekosten übernommen werden. Das Medikament muss im Rahmen spezialisierter Gewichtsmanagementdienste verschrieben werden und die Erstattung ist auf maximal zwei Jahre begrenzt. In mehreren Ländern ist es öffentlichen Kostenträgern allerdings gesetzlich untersagt, Medikamente zur Gewichtsabnahme zu erstatten, beispielsweise in Deutschland, Italien und Medicare in den USA.
Unterdessen stehen auch private Kostenträger unter Druck. So hat Dänemarks größter privater Krankenversicherer im Jänner 2024 aufgrund der überwältigenden Nachfrage die Erstattung von Medikamenten zur Gewichtsabnahme eingestellt.
Vor diesem Hintergrund wird das Problem des krankhaften Übergewichts derzeit sehr vereinfacht betrachtet, und zwar ausschließlich über Grenzwerte des Body-Mass-Index (BMI), der die Grundlage für die Erstattung oder Nichterstattung darstellt. Eine viel detailliertere Patientensegmentierung wird nötig sein, um die wahren, komplexen und mehrdimensionalen unerfüllten Therapiebedürfnisse zu erfassen und maßgeschneiderte, patientenzentrierte Ansätze zu entwickeln.
Folglich umfasst die wachsende Adipositas-Pipeline heute über 120 Mittel zur Gewichtsreduzierung in allen klinischen Phasen, die von 60 Unternehmen mit mehreren Wirkmechanismen und verschiedenen Formulierungen entwickelt werden, darunter viele orale (siehe Abbildung 1).
Im Gesundheitswesen wird zunehmend klar, dass eine eindimensionale Betrachtung von krankhaftem Übergewicht, die ausschließlich durch den BMI definiert wird, völlig unzureichend ist, um die Komplexität ihrer vielfältigen Erscheinungsformen zu erfassen (siehe Abbildung 2). Darüber hinaus berücksichtigt der BMI keine Faktoren wie Muskelmasse, Knochendichte, ethnische Unterschiede in der Körperzusammensetzung, genomische Variationen oder das Vorhandensein von Komorbiditäten, ganz zu schweigen von der möglichen Reaktion auf verschiedene Therapieoptionen.
Der Patientenbedarf umfasst die klinischen und nichtklinischen Bedürfnisse der Patient*innen in Bezug auf Fettleibigkeit und Komorbiditäten. Diese werden weiter nach spezifischen Profilen geschichtet, wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Schwere der Krankheit, Morbiditätsüberlappung, Risikofaktoren und andere Phänotypen, die die Reaktion und Verträglichkeit der Therapie bestimmen. Diese definieren wiederum die optimale Therapiewahl.
Beispielsweise erfordert ein hoher BMI eine wirksamere Anti-Adipositas-Therapie, um eine anfängliche Gewichtsabnahme zu erreichen. Komorbiditäten wie NASH/MASH können eine Behandlung erfordern, die eine Gewichtsabnahme bewirkt und auf die Leber wirkt. Das Alter der Patient*innen kann bestimmen, ob der Muskelerhalt Priorität haben muss, während andere Phänotypen die Therapiewahl basierend auf der erwarteten Verträglichkeit und Reaktion bestimmen können.
Abhängig vom Therapieziel unterscheidet sich eine typischerweise zeitlich begrenzte Induktionstherapie, die den Großteil der Gewichtsreduktion bewirkt, von einer langfristigen Erhaltungstherapie, die den Gewichtsverlust dauerhaft macht. Diese Unterscheidung könnte injizierbaren und oralen Medikamenten unterschiedliche therapeutische Rollen zuweisen, wobei erstere als Induktionsmittel verwendet werden, gefolgt von oralen Anti-Adipositas-Medikamenten in der Erhaltungsphase.
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf der IQVIA Homepage unter folgenden Link: When the dust settles