Die Zukunft des Adipositas-Marktes
Stärker segmentiert und besser ausgerichtet auf die diversen Patientenbedürfnisse wird der Obesity-Markt sich in Zukunft präsentieren, schließt ein Blogbeitrag des IQVIA EMEA Thought Leadership Teams
Das Aufkommen hochwirksamer Therapien zur Gewichtsabnahme markierte einen Wendepunkt für den Adipositas-Markt. Zum ersten Mal führten pharmakologische Interventionen zu einer signifikanten Gewichtsabnahme von 15 % und mehr und lösten eine außerordentliche Nachfrage seitens der Verbraucher aus. Da das Produktangebot weiterhin hinter der steigenden Nachfrage zurückbleibt, wurden grundlegende „Spielregeln“, die das typische Verhalten der Märkte für verschreibungspflichtige Arzneimittel bestimmen, außer Kraft gesetzt. Zum Beispiel ist eine beispiellose Bereitschaft der Patienten, aus eigener Tasche zu zahlen sogar außerhalb der USA beobachtbar und die traditionelle Markendifferenzierung spielt derzeit eine untergeordnete Rolle gegenüber der Befriedigung der ungedeckten Patientennachfrage als dominierende Kraft.
Gleichzeitig beschränken die Gesundheitssysteme die Kostenerstattung für Therapien gegen Fettleibigkeit aktuell stark, da sie mit der Frage ringen, wie sie die Notwendigkeit, Fettleibigkeit als eine große, wachsende Krise der öffentlichen Gesundheit zu bekämpfen mit der Finanzierung eines neuen Massenmarktes für chronische Krankheiten, der bis 2028 weltweit bis zu 131 Milliarden Dollar wert sein könnte, in Einklang bringen können.
Vor diesem Hintergrund wird der Adipositas-Markt derzeit zu vereinfacht betrachtet: Eine monolithische Chance, die klinisch eindimensional durch Body-Mass-Index (BMI)-Schwellenwerte definiert und in zwei binäre Marktarchetypen – Selbstzahler vs. Kostenerstattung – unterteilt ist, die ausschließlich auf dem zugrunde liegenden Finanzierungsmechanismus basieren. Wie der IQVIA Blogeintrag analysiert, wird die Zukunft des Obesity- bzw. Adipositas-Marktes durch eine weitaus granularere Patientensegmentierung definiert werden, welche besser geeignet sein wird, die komplexen und multidimensionalen Bedürfnisse von Patientenseite abzubilden:
Jenseits der anfänglichen Hype-Phase
Mehrere Trends führen dazu, dass sich ein weniger monolithischer, reiferer Adipositas-Markt herausbildet, in dem sich geschäftliche Chancen in unterschiedlichen Patientensegmenten manifestieren. Um diese Chancen zu nutzen, wird ein differenzierteres Verständnis der „unmet needs“ erforderlich sein, um darauf aufbauend maßgeschneiderte, patientenzentrierte Ansätze entwickeln zu können. Zu den wesentlichsten aktuellen Trends zählen:
Eine überfüllte Pipeline: Die herausragende Leistung der Adipositas-Franchises von Novo Nordisk und Lilly hat viele Unternehmen dazu veranlasst, ihre eigenen Entwicklungsanstrengungen zu unternehmen, um sich einen Anteil am riesigen Potential zu sichern. Infolgedessen umfasst die wachsende Adipositas-Pipeline heute mehr als 120 Wirkstoffe zur Gewichtsreduktion, die von 60 Unternehmen für verschiedene Wirkmechanismen und unterschiedliche Formulierungen entwickelt werden, darunter viele orale Präparate. Ein solch dichtes Feld wird zwangsläufig zur Herausforderung führen, sich darin zu differenzieren, zu behaupten und eine Nische für das eigene Angebot zu etablieren.
Erweiterung der Zulassung auf Komorbiditäten: Am 20. März 2024 wurde Wegovy zum ersten Adipositas-Therapeutikum mit einer erweiterten Zulassung, da die FDA nach der erfolgreichen SELECT CV Outcomes-Studie im Jahr 2023 die Aufnahme der Verringerung des Risikos für kardiovaskulären Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall genehmigte. Derzeit laufen zahlreiche klinische Studien zur Untersuchung von Adipositas-Assets bei Komorbiditäten, z. B. MACE-3-Komponenten, Herzinsuffizienz, Schlafapnoe, chronischer Nierenerkrankung (CKD), NASH/MASH, Kniearthrose, mit mehreren jüngsten positiven, viel beachteten Ergebnissen.
Komorbiditäten als Weg in die Kostenerstattung: Im Vereinigten Königreich verlangt die NICE-Leitlinie, dass adipöse Patienten eine gewichtsbezogene Begleiterkrankung aufweisen müssen, um für eine – wenn auch zeitlich begrenzte – Behandlung mit Wegovy in Frage zu kommen. Trotz der allgemeinen Zurückhaltung der Gesundheitssysteme bei der Kostenübernahme für Medikamente gegen Fettleibigkeit stießen die Ergebnisse der SELECT-Studie und die anschließende Erweiterung der Kennzeichnung von Wegovy um die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen weitgehend auf positive Resonanz.
Akzeptanz der Heterogenität von Adipositas: Unter den Akteuren des Gesundheitswesens wächst die Einsicht, dass eine eindimensionale Betrachtung der Adipositas, die ausschließlich durch den BMI definiert wird, völlig unzureichend ist, um die Komplexität der verschiedenen Erscheinungsformen zu erfassen. Darüber hinaus berücksichtigt der BMI keine Faktoren wie Muskelmasse, Knochendichte, ethnische Unterschiede in der Körperzusammensetzung, genomische Variationen oder das Vorhandensein von Komorbiditäten, ganz zu schweigen vom potenziellen Ansprechen eines Patienten auf verschiedene Therapieoptionen. Infolgedessen erweitert sich die Definition des Behandlungserfolgs auch über den erzielten Gewichtsverlust hinaus und umfasst beispielsweise das gesamte Spektrum der therapeutischen Bedürfnisse der Patienten, wie Gewichtsreduktion halten, Beitrag zum Management von Komorbiditäten, Erhalt von Muskelmasse etc.
Sobald die bestehende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage geschlossen ist, erwartet das Thought Leadership Team von IQVIA, dass der Adipositas-Markt eine eher orthodoxere Dynamik entwickeln wird, die von Wahlmöglichkeiten und Wettbewerbsstrategien bestimmt wird, die darauf abzielen, sich von der Konkurrenz abzuheben, indem sie auf die Befriedigung spezifischer ungedeckter Bedürfnisse in einzelnen Patientengruppen ausgerichtet sind.
Die Segmentierung des Adipositas-Marktes:
In Zukunft werden es vor allem drei Dimensionen sein, die nebeneinander existierende Adipositas-Marktsegmente abgrenzen werden.
Patientenbedürfnisse/patient needs: Diese Dimension umfasst die klinischen und nicht-klinischen Bedürfnisse der Patienten in Bezug auf Adipositas und Komorbiditäten. Diese werden durch spezifische Patientenprofile wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Schwere der Erkrankung, Morbiditätsüberschneidungen, Risikofaktoren und andere Phänotypen, die das Ansprechen auf die Therapie und deren Verträglichkeit bestimmen, weiter stratifiziert. Diese wiederum bestimmen die Wahl der optimalen Therapie.
Therapieziel: Diese Dimension erfasst die Unterscheidung zwischen einer typischerweise zeitlich begrenzten Induktionstherapie, die den Großteil der Gewichtsreduktion bewirkt, und einer langfristigen Erhaltungstherapie, die den Gewichtsverlust dauerhaft macht, einschließlich der damit verbundenen Vorteile wie Verbesserungen bei kardio-metabolischen Risikofaktoren oder Komorbiditäten.
Finanzierungsmechanismus: Diese Dimension erfasst die Art und Weise, wie die Behandlung von Adipositas finanziert wird, d. h. Kostenerstattung bzw. Selbstbeteiligung an der Schnittstelle zwischen spezifischen Patientenprofilen und Therapiezielen. In einem von Budgetbeschränkungen geprägten Umfeld dass sowohl Kostenerstattung als auch Selbstfinanzierung weiterhin nebeneinander bestehen bleiben. Ihre relative Größe wird jedoch von Land zu Land variieren und von länderspezifischen Faktoren abhängen.
Die verschiedenen Marktsegmente, die sich hierdurch etablieren, werden sich durch Ausprägungen in ihren dominierenden Wettbewerbsdynamiken, ihren kritischen Erfolgsfaktoren und der Marktgröße, unterscheiden. Folglich wird sich der künftige Markt für Adipositas stark von dem heutigen unterscheiden und in jedem Fall stärker segmentiert sein, als dies heute der Fall ist.
Zum IQVIA Blogbeitrag
Um den Blogeintrag ungekürzt und im Original zu lesen, folgen Sie folgendem Link:
When the dust settles: The future shape of the obesity market – IQVIA
Für Fragen wenden Sie sich an:
Bernhard Hattinger
IQVIA Marktforschung GmbH
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